Kirchliche Strukturen im ländlichen Raum Ober- und Mittelfrankens

Die öffentliche Debatte über ländliche Räume ist auf akteurs- und gruppenbezogener Ebene wesentlich durch die Fokussierung auf ältere oder jüngere Bevölkerungsgruppen geprägt, wobei für jede Gruppe unterschiedliche politische Handlungsmaßnahmen diskutiert werden. Überdies ist die Debatte vor allem durch Fragen der Sicherung von Daseinsvorsorge im Bereich sozialer Infrastrukturen (Schulen, Kindergärten) in staatlicher Trägerschaft oder der Gesundheitsversorgung ("Ärztemangel") gekennzeichnet.

Nur selten betrachtet wird in diesen Diskussionen die Rolle und gesellschaftliche Bedeutung kirchlicher Organisationen und kirchlich vorgehaltener Sozialleistungen, obwohl die Kirchen nach wie vor zentrale Akteure gerade in ländlichen Gebieten sind. Offensichtlich ist, dass sowohl die katholische Kirche wie auch die evangelische Kirche selbst unter Schrumpfungsprozessen zu leiden haben: Pfarrstellen werden gestrichen, die Zusammenlegung von Kirchengemeinden ist die Folge; ausländische Priester decken den Mangel im seelsorgerischen wie sozialen Angebot; ehrenamtliches Engagement der Gemeindemitglieder (sogenannte Laienkirche) schließt Lücken, die ausgedünnte Strukturen erzeugt haben.

Neben diesen Entwicklungen taucht die Frage auf, ob der Kirche in einem Kontext der grundsätzlichen Schrumpfung und Konzentration von Infrastrukturen der Daseinsvorsorge nicht auch sukzessive neue Rollen zuwachsen, die weit über ihre engere Rolle als Seelsorgerin und Anbieterin fürsorglicher Leistungen hinausgeht. Welche Bedeutung hat die Kirche heute im ländlichen Raum – wie hat sich ihr Selbstverständnis gewandelt, wie wird sie von Bewohnern des ländlichen Raumes wahrgenommen? Stellt die Kirche mit ihren Einrichtungen mehr und mehr einen kommunalen Knotenpunkt im Kontext schrumpfender staatlicher und sozialer Infrastrukturen dar?

Das Projekt besteht aus zwei Säulen:

  1. Erfassung und Darstellung von Veränderungen in der räumlichen Struktur von Pfarreien und Kirchengemeinden (unter anderem Territorialveränderungen in den letzten rund 30 Jahren); gegebenenfalls Veränderungen von Konfessionszugehörigkeit in Ober- und Mittelfranken.
  2. Erfassung und Analyse von Reaktionen auf organisationale Schrumpfung und neue Rollen der Kirche in schrumpfenden ländlich-dörflichen Umwelten: Bedeutung von ausländischen Priestern und Pfarrern (ihre Rolle, Fragen der Integration und Akzeptanz), Relevanz der Laienkirche, Kirche als kommunaler dörflicher Knotenpunkt und Akteur in der Dorfentwicklung.

Die Erarbeitung der beiden Säulen erfolgt durch Studierende des Masterstudiengangs Sozial- und Bevölkerungsgeographie unter finanzieller Förderung des Instituts für Entwicklungsforschung im Ländlichen Raum Ober- und Mittelfrankens und in enger Abstimmung mit dem Erzbistum Bamberg im Zeitraum vom 01.04.2014 bis 31.03.2015 statt.

Der Bayerische Rundfunk gab am 14.12.2014 einen kurzen Einblick in das Projekt. Einen Zeitungsartikel unter dem Titel "Hinter dem Altar steht der Prediger aus Indien", der von einem Studierenden verfasst wurde, ist in den Nürnberger Nachrichten erschienen.