Was denken Kinder und Jugendliche heute von Schöpfung, Urknall und Evolution?

Dieser Frage widmete sich der Eröffnungsvortrag der interdisziplinären Veranstaltungsreihe „Und was stimmt jetzt? Evolution und Schöpfungsglaube im Diskurs“, die im Sommersemester 2014 von den Lehrstühlen für Religionspädagogik und Didaktik des Religionsunterrichts (Prof. Dr. Konstantin Lindner), für Evangelische Theologie mit Schwerpunkt Religionspädagogik und Didaktik des Religionsunterrichts (Prof. Dr. Henrik Simojoki) sowie der Didaktik der Naturwissenschaften (Prof. Dr. Jorge Groß) gemeinsam veranstaltet wird.

Mit Dr. Christian Höger, Akademischer Rat an der Pädagogischen Hochschule Freiburg, der zurzeit an einer Habilitation zum Thema des Vortrags arbeitet und sich auch schon in seiner Dissertation „Abschied vom Schöpfergott?“ der Frage nach den Einstellungen Jugendlicher gewidmet hat, konnten die Lehrstühle einen echten Experten auf diesem Gebiet gewinnen.

In seinem sehr gut besuchten Vortrag, der neben Studierenden auch Lehrkräfte sowie interessiertes außeruniversitäres Publikum anzog, vermittelte Dr. Christian Höger dem Publikum einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand zu den Vorstellungen Heranwachsender zu Schöpfung, Urknall und Evolution. Mit seiner eingangs gestellten Frage, warum Schöpfungstheologie und Naturwissenschaft überhaupt miteinander ins Gespräch kommen sollten, ging er zunächst auf das Erkenntnisinteresse seiner Forschungen ein: Ziel sei eine Allgemeinbildungvon Kindern und Jugendlichen, die überholte Konfliktezwischen den beiden Bereichen Schöpfung einerseits und Urknall bzw. Evolution andererseits zu vermeiden helfe. Die Analyse empirischer Studien über die Ideen Heranwachsender zu diesen Bereichen könne einer Bedingungsanalyse für schulischen subjekt- und entwicklungsorientierten Unterricht in einer modernen, pluralen Gesellschaft dienen. Denn sowohl Lehrkräfte des evangelischen und katholischen Religionsunterrichts als auch des Biologie- und Physikunterrichts stünden vor der Aufgabe, Heranwachsende in ihren Weltbildkonstruktionen zu unterstützen.

Wer im Anschluss daran jedoch eine Aneinanderreihung blanker Zahlen und Fakten erwartet hatte, wurde positiv überrascht, denn in seinem dichten und dennoch unterhaltsamen Vortrag bezog Dr. Höger durch aktivierende Fragen auch immer wieder das Publikum ein und bewies mit einer Menge an Forschungsmaterial wie Videoausschnitten von Schülerinterviews, Bildern und Zitaten, dass empirische Forschung alles andere als langweilig ist.So wurden die Zuhörer mit einer Fülle an Ergebnissen hinsichtlich dessen konfrontiert, was die Forschung in den letzten Jahrzehnten zu den Einstellungen der Schüler und Schülerinnen erbracht hat. Die Entwicklung des Schöpfungsverständnisses bei Kindern und Jugendlichen und das Schöpferkonzept bei Abiturienten waren dabei genauso Thema wie die Vielfalt der Vorstellungen vom Urknall und die Beantwortungsmöglichkeiten der Frage, wie die ersten Menschen entstanden sind. Auch Högers in seiner eigenen Forschung entstandene „Typologie der Naturdeutungen“ von Heranwachsendenden und kreationistische Vorstellungen zur Entstehung von Erde und Mensch kamen zur Sprache.

Manch überraschende Aussage brachte dabei das Publikum zum Staunen oder Schmunzeln. Wenn bei Kindern und Jugendlichen die Vorstellung des Urknalls als „Erdknall“ zum Tragen komme, bei dem die Erde aus dem Zusammenstoß zweier Kometen oder Planeten entstanden sei, sie zur Erklärung der Entstehung der Arten ungewöhnliche Ansätze verwendeten oder Schüleräußerungen zur Evolution zu Tage bringen, dass fleischfressende Pflanzen deshalb entstanden seien, weil „sich die Pflanzen dachten: Wir müssen was verändern!“, dann dürften aber auch solche „Fehlvorstellungen“ keinesfalls lächerlich gemacht werden, machte Dr. Höger deutlich. Lehrkräfte sollten Schülerinnen und Schüler in ihren Weltdeutungen wahr- und ernst nehmen und im Fachunterricht mit den jeweiligen Schwerpunkten sensibel in ihrer Entwicklung begleiten, ohne die scheinbar konkurrierenden Vorstellungen von Schöpfung und Evolution gegeneinander auszuspielen.  

Abgerundet wurde der Vortrag mit einem angeregten Austausch zwischen dem Vortragenden und den Zuhörern und Zuhörerinnen, bei dem deutlich wurde, dass das Thema in seiner Aktualität auch weiterhin für Diskussionsbedarf sorgt.