Schwerpunkte der Forschung

1. Handelsgesellschaften und kommerzielle Netzwerke

Der frühneuzeitliche Fernhandel bildet seit langem einen Schwerpunkt der Forschungen des Lehrstuhlinhabers, der dazu zahlreiche Publikationen vorgelegt hat. 2006 erschien seine Überblicksdarstellung zur Geschichte der Fugger, 2009 eine Edition von Familienbriefen des 17. Jahrhunderts, die im Kontext einer kaufmännischen Auslandslehre entstanden, 2010 ein gemeinsam mit dem ehemaligen Lehrstuhlmitarbeiter Christof Jeggle herausgegebener Sammelband über Praktiken des Handels und 2013 eine Monographie zu einem Augsburger Kaufmann, der im späten 16. Jahrhundert als Vermittler zwischen den bayerischen Herzögen und dem spanischen Königshof fungierte. Eine Edition von Quellen der Augsburger Handelsgesellschaft der Welser  zwischen 1496 und 1551 wurde 2014 in der traditionsreichen Reihe „Deutsche Handelsakten des Mittelalters und der Neuzeit“ publiziert. 2015 folgte ein Sammelband über die Geschichte des Handels und der Märkte im frühneuzeitlichen Bamberg und 2016 eine Überblicksdarstellung zu den weltweiten Handelsbeziehungen der Augsburger Fugger und Welser. Abgeschlossene Forschungsprojekte von Mitarbeitern und Doktorand(inn)en befassten sich mit den kommerziellen Verflechtungen zwischen Süddeutschland, Frankreich und Italien im 16. Jahrhundert sowie mit Konflikten innerhalb der Handelsgesellschaft der Fugger zwischen 1560 und 1600. Ein laufendes DFG-Projekt untersucht, wie kleinere und mittlere süddeutsche Kaufleute mit den Risiken und Unwägbarkeiten des transalpinen Handels um 1600 umgingen.
Die genannten Publikationen und Projekte gehen von der Prämisse aus, dass der frühneuzeitliche Fernhandel in hohem Maße auf persönlichen Beziehungsnetzen basierte, welche die Strukturen von Handelsgesellschaften sowie kommerzielle Verbindungen über weite Distanzen hinweg entscheidend prägten. Ihr besonderes Augenmerk gilt daher den Formen und Praktiken merkantiler Kooperation und Konfliktlösung, der Kommunikation unter Kaufleuten sowie personalen Netzwerken als Grundlage der Konstituierung frühneuzeitlicher Märkte. Darüber hinaus geht es stets auch um die Erschließung bislang unbeachteter bzw. wenig bekannter Quellen zur frühneuzeitlichen Handelsgeschichte.

2. Städtische Gesellschaften

Die Vielfalt urbaner Lebensformen bildet einen weiteren Forschungsschwerpunkt am Lehrstuhl für Neuere Geschichte unter Einbeziehung der Landesgeschichte. Anknüpfend an die Studien zum Fernhandel und zu kommerziellen Netzwerken werden die Einbindung von Kaufleuten in städtische Gesellschaften, die Rolle von Zuwanderern und Minderheiten sowie kulturelle Transferprozesse untersucht. Projekte von Doktorand(inn)en und Lehrstuhlmitarbeiter(inne)n nehmen insbesondere die ehemalige fürstbischöfliche Residenzstadt Bamberg in den Blick, deren Geschichte zwischen 1500 und 1800 vor allem Bereich der Verwaltungs-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte erst partiell erforscht ist. Zur Geschichte Bambergs in der Frühen Neuzeit wurden mehrere Sammelbände vorgelegt; abgeschlossen und laufende Promotionsprojekte befassen sich unter anderem mit der Geschichte des zünftischen Handwerks, dem Hofzeremoniell der Bamberger Fürstbischöfe, den Folgen des Dreißigjährigen Krieges für die Residenzstadt sowie der Geschichte unehrlicher Berufe (Scharfrichter und Abdecker) in Bamberg. Die Jubiläen zweier bedeutender Ärzte in der geistes-, sozial- und herrschaftsgeschichtlichen Umbruchszeit um 1800, Adalbert Friedrich Marcus (200. Todestag 2016) und Andreas Röschlaub (250. Geburtstag 2018) bildeten den Anlass für eine eingehende Beschäftigung mit Aspekten der Bamberger Medizingeschichte.

3. Atlantische Geschichte in der Frühen Neuzeit

Das Forschungskonzept der atlantischen Geschichte, das in der anglo-amerikanischen historischen Forschung seit einigen Jahren Konjunktur hat, hebt insbesondere auf die Beziehungen und Verflechtungen zwischen Europa, Afrika und Amerika in der Frühen Neuzeit ab. Abgeschlossene und laufende Projekte am Lehrstuhl für Neuere Geschichte in diesem Bereich widmen sich Aspekten der transatlantischen Migrations-, Kommunikations- und Religionsgeschichte, insbesondere der Beziehungs- und Transfergeschichte zwischen dem deutschsprachigen Mitteleuropa und dem kolonialen Nordamerika. Hierunter fallen abgeschlossene Dissertationen zum Korrespondenznetz des deutsch-amerikanischen lutherischen Geistlichen G. H. E. Mühlenberg (1753-1815) und zur Biographie des aus Halle nach Nordamerika entsandten und dort in Philadelphia und New York wirkenden Pastors Johann Christoph Kunze (1744-1807). Seit 2013 arbeitet der Lehrstuhl mit den Franckeschen Stiftungen zu Halle und Prof. Hermann Wellenreuther (Göttingen) in einem DFG-geförderten Projekt zur Edition und Erschließung der Amtstagebücher und Briefe Hallescher Pastoren in Pennsylvania zwischen 1745 und 1825 zusammen.

4. Militär und Gesellschaft

Die neuere Militärgeschichte bemüht sich um ein umfassendes Verständnis von Militär, in dem nicht nur Schlachten, Strategien und Taktiken im Mittelpunkt des Interesses stehen. Vielmehr geht es darum, die Thematik in gesellschaftliche und herrschaftliche Kontexte einzubetten und auch die europäischen bzw. internationalen Dimensionen von Krieg und militärischen Aktionen bzw. Kooperationen in den Blick zu nehmen. Die Projekte von Andreas Flurschütz da Cruz (Habilitationsprojekt), Andreas Reder (Dissertation) und Oliver Heyn (Dissertation, abgeschlossen) befassen sich mit diesem Themenkomplex. Eine Verbindung mit dem folgenden Punkt stellt der Sammelband zu „Militär und Mehrsprachigkeit“ dar, der auf die gleichnamige Tagung der Matthias-Kramer-Gesellschaft von 2013 zurückgeht.

5. Sprachkontakte und Mehrsprachigkeit

Die enge Zusammenarbeit des Lehrstuhls mit dem stark historisch arbeitenden Sprachwissenschaftler Helmut Glück führte zu einer intensiven Beschäftigung mit der Geschichte des Erwerbs und Gebrauchs lebender Fremdsprachen in der Frühen Neuzeit. Von 2007 bis 2011 führten Helmut Glück und Mark Häberlein gemeinsam mit dem Augsburger Anglisten Konrad Schröder ein von der DFG gefördertes Projekt zur Geschichte des Fremdsprachenlernens in den Reichsstädten Augsburg und Nürnberg durch, in dem die Rolle des Sprachenlernens im Rahmen der kaufmännischen Auslandslehre und der patrizischen Kavalierstour, die Präsenz freiberuflicher Sprachlehrer (Sprachmeister) in den beiden Reichsstädten sowie die dort verfassten und gedruckten Sprachlehrwerke analysiert wurden. Ein 2014 Sammelband verbindet die Geschichte des Sprachenlernens und der Sprachkontakte erstmals dezidiert mit der Militärgeschichte.

Um die Forschungen auf diesem Gebiet weiter zu intensivieren und interessierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern – v.a. aus den Bereichen Geschichtswissenschaften, Sprachwissenschaft und Fremdsprachendidaktik – ein Forum des Austauschs zu bieten, gründeten Helmut Glück, Mark Häberlein und Konrad Schröder im Herbst 2013 die Matthias-Kramer-Gesellschaft zur Erforschung der Geschichte des Fremdsprachenlernens und der Mehrsprachigkeit, die nach dem produktivsten Sprachlehrer und Lehrwerksautor der Barockzeit benannt ist. Die Matthias-Kramer-Gesellschaft, deren Gründungsvorsitzender der Lehrstuhlinhaber ist, führt jährliche Tagungen durch. Diese beschäftigten sich bislang mit der Geschichte des Sprachmeisterberufs (Bamberg 2014; Publikation  2015), mit Halle als Zentrum der Mehrsprachigkeit im langen 18. Jahrhundert(117.1 KB, 3 Seiten) (Halle 2015; Publikation 2017), mit Fremdsprachenlernen im Rahmen der frühneuzeitlichen Adelskultur (Wolfenbüttel 2016; Publikation in Vorbereitung), mit Vita, Werk und Einfluss Matthias Kramers (Bamberg 2017; Publikation in Vorbereitung) sowie mit Sprach- und Kulturkontakten im Ostseeraum (Riga 2018).

6. Jüdische Geschichte in der Frühen Neuzeit

Die Geschichte der jüdischen Minderheit bildet einen Forschungsschwerpunkt von Michaela Schmölz-Häberlein, apl. Professorin am Lehrstuhl für Neuere Geschichte unter Einbeziehung der Landesgeschichte. Ihre 2014 erschienene Monographie zu Juden in Bamberg (1633-1802/03) zeichnet die Lebensbedingungen und Lebensformen dieser Minderheit in der fürstbischöflichen Residenzstadt nach und analysiert ihre wirtschaftlichen und sozialen Netzwerke. Im Zuge der Beschäftigung mit den Bamberger Juden wurden auch jüdische Gemeinden im Umland sowie in benachbarten oberfränkischen Territorien genauer untersucht. Ein 2018 herausgegebener Band zu regionalgeschichtlichen Perspektiven auf jüdische Lebenswelten versammelt zwölf Studien jüngerer wie erfahrener Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die innovative Perspektiven auf die jüdische Wirtschafts-, Sozial-, Geistes- und Alltagsgeschichte sowie auf die Koexistenz von Christen und Juden im süddeutschen und Schweizer Raum bieten. Ein vor kurzem begonnenes Dissertationsprojekt widmet sich der Geschichte der Juden in der reichsritterschaftlichen Herrschaft Mitwitz.

7. Regionalgeschichte

Regionen konstituieren sich nicht allein durch Herrschaftsgebiete und -grenzen, sondern vor allem durch soziale Interaktionen und Netzwerke, die sich über verschiedene Bevölkerungssschichten erstrecken und sowohl in elitären Kreisen wie dem Adel als auch in bürgerlichen Schichten, etwa im Handel, existieren. Diese Netzwerke und in diesem Kontext ebenso relevante Themen wie Migration stellen einen weiteren Schwerpunkt am Bamberger Lehrstuhl für Neuere Geschichte dar, auf die sowohl in der Lehre als auch in verschiedenen Forschungsprojekten der letzten Jahre immer wieder Bezug genommen wurde. So beschäftigt sich Andreas Schenker mit dem Viehhandel im Hochstift Bamberg, Magdalena Bayreuther erforschte in ihrer eher kulturgeschichtlich angelegten Dissertation die Rolle von Pferden an fränkischen Höfen und Sandra Schardt befasst sich in ihrem laufenden Promotionsprojekt mit der Relevanz unehelicher Geburten im Bistum Bamberg und darüber hinaus. In einem neuen Projekt werden sich eine Doktorandin und ein Doktorand ab Januar 2021 mit dem Bamberger Domkapitel und seiner schriftlichen Überlieferung in Form der Rezessbücher beschäftigen.