Wahrheit im digitalen Medienzeitalter

Start des Theologischen Forums 2017/18

Das Theologische Forum widmet sich im Wintersemester 2017/18 der Frage nach dem "Wert der Wahrheit" im so genannten postfaktischen Zeitalter.

Rupprechtstegen, ein kleiner, beschaulicher Ort im Pegnitztal, so klein, dass dieser Ort noch nicht einmal einen eigenen Wikipedia-Eintrag besitzt, bewohnt von ca. 250 Einwohnern … doch dann: Im Sommer 2015 rückte das Dorf ins Rampenlicht der internationalen medialen Öffentlichkeit. Angeblich wurde das kleine Dorf von Asylanten überrannt, von Brandstiftungen und anarchischen Zuständen war in verschiedenen Medienorganen die Rede: „‚Dieses Paradies verwandelt sich langsam in eine Müllkippe.‘ ‚Flüchtlinge haben, ohne zu fragen, alle Fische aus einem privaten Teich gefischt.‘ ‚Jetzt fährt da kein Tourist mehr hin‘", titelte beispielsweise die Zeitung „Gazeta Prawna“ über Rupprechtstegen. Von journalistischer Neugier gepackt, machten sich daraufhin zwei Journalistinnen des Bayerischen Rundfunks auf den Weg in dieses angeblich leidgeplagte fränkische Dorf. Und was fanden sie dort vor? Gar nichts, denn alle Informationen – die vermeintlichen „Fakten“ – waren frei erfunden! 70 Flüchtlinge, die problemlos in die Dorfgemeinde integriert wurden, fanden in Rupprechtstegen ein neues Zuhause und die Bewohner von Rupprechtstegen dementieren die in dem Artikel der polnischen Zeitung beschriebenen Zustände.

Dieser Vorfall stellt ein Beispiel für Falschmeldungen dar, die sogenannten „Fake News“, mit denen Medienkonsumenten bisweilen täglich konfrontiert sind. „Alternative Fakten“ werden bewusst genutzt werden, um zu polarisieren, Ängste zu schüren und die Meinungsbildung zu manipulieren. Aber was ist die Wahrheit in „postfaktischen“ (Wort des Jahres 2016) Zeiten noch wert?

Mit dieser Frage greift das Institut für Katholische Theologie im Wintersemester 2017/18 in seiner, zusammen mit der Katholischen Erwachsenenbildung der Erzdiözese Bamberg veranstalteten, öffentlichen Vortragsreihe „Theologisches Forum“ einen aktuellen Diskurs auf. An fünf Abenden beschäftigt sich das mit Fragen nach der Wahrheit näher, denn „die Theologie versteht sich neben der Philosophie als klassische Disziplin im Umgang mit Wahrheit“, so der Institutsdirektor Prof. Dr. Jürgen Bründl in seinen Eröffnungsworten. Es lohne sich, die Frage nach der Wahrheit heute nicht nur theologisch zu betrachten, sondern unter anderem die Perspektive der Medien miteinzubeziehen und nach Kriterien der Berichterstattung zu fragen.

Qualitätsjournalismus und Wahrheit 4.0

Dieser, von Bründl benannten Aufgabe stellte sich die Kommunikationswissenschaftlerin Dr. Kathrin Degmair: Die Leiterin des Studio Franken des Bayerischen Rundfunks ging im Eröffnungsvortrag  „Wahrheit 4.0 – über den Umgang mit einer zentralen (journalistischen) Tugend im digitalen Medienzeitalter“ auf die Anforderungen des Qualitätsjournalismus in der digitalisierten Welt ein. Dabei widmete sie sich unter anderem den Pflichten, die Qualitätsjournalismus erfüllen muss, um objektiv, unabhängig und faktisch überprüfbar berichten zu können. Dazu betonte Degmair, dass eine kritische Selbstreflexion sowie eine zeitgemäße Umsetzung des Qualitätsjournalismus notwendig seien, um Menschen aller Milieus eine Meinungsbildung und Partizipation an der Gesellschaft zu ermöglichen: Qualitativ hochwertiger Journalismus könne mit faktenbasierter Berichterstattung eine der tragenden Säulen für seriöse gesellschaftliche Debatten bereitstellen. Falschmeldungen dagegen würden, wenn sie monokausal verstanden werden, bestimmte Implikationen verstärken und könnten letztlich zu gesellschaftlichen Spaltungen führen. Überdies zeige eine repräsentative Studie aus dem Jahr 2016, dass nur 2/3 der Befragten Vertrauen in öffentlich-rechtliche Medien haben und diese als erste Anlaufstelle bei der Informationsgewinnung heranziehen.

Um derartigen Tendenzen entgegen zu wirken, hat beispielsweise der Bayerische Rundfunk eine eigene, inhaltlich und technisch auf Falschmeldungen spezialisierte Einheit gegründet („BR social listening und Verifikation“), die das Internet nach „Fake News“ durchsucht, als solche enttarnt und ihnen objektive, nachprüfbare Nachrichten entgegenstellt. Zudem möchte der BR nah bei den Menschen, nachhaltig und transparent sein, um das Vertrauen der Menschen in die Qualitätspresse (zurück) zu gewinnen und ihnen den damit verknüpften gesellschaftlichen Mehrwert zu bieten.

Am Schluss ihrer Ausführungen betonte Dr. Kathrin Degmair, dass die Wahrheit heute noch zählt – mehr denn je, insofern sie gesellschaftliche Partizipation im Sinne einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung die garantiere. Gerade angesichts einer zunehmenden Digitalisierung sei die Wahrheit als journalistische Kerntugend unverzichtbar und notwendiger denn je.

In der anschließenden Gesprächsrunde diskutierten die zahlreich anwesenden Gäste mit der Referentin verschiedene Aspekte des Vortrags. Danach mündete der Abend in den Semestereröffnungsempfang des Instituts für Katholische Theologie.

Hinweis

Diesen Text verfasste Alisha Bleicher. Er steht Journalistinnen und Journalisten zur freien Verfügung.