Verlangen nach Gerechtigkeit: Diskursgeschichten der Theodizee

Wir werden mit dem Leiden, mit unerklärlichem Leiden, nicht fertig. Wir reden über das Leiden, weil wir über Leiden reden müssen. Wir erzählen einander Leiden, weil wir unseren Erfahrungen im wiederholten Erzählen eine narrative Form – einen Sinn – geben müssen, und erzählen uns einander unsere Leiden solange, bis wir ihnen im immer wieder nachjustierten Erzählen eine Form gegeben haben, die uns Sinn vermittelt und mit der wir dann leben können.

Wenn diese These zutrifft, lassen sich die Geschichten der Bibel nicht »eins zu eins« als Abbildungen der Vergangenheit lesen, denn sie geben nicht die Vergangenheit, sondern einen perspektivischen Rückblick auf dieselbe wieder, und dienen immer wieder dazu, im Rückblick auf schwer zu verarbeitende Erfahrungen von Leid die Frage nach der Schuld zu lösen.

Die Frage nach der Schuld an unerklärbarem Leid hat in der alttestamentlichen Literatur zu unterschiedlichen Lösungsversuchen geführt, die ausnahmslos wieder in Aporien geendet sind und das Fragen ständig weitergetrieben haben.

Es gilt, dem Ringen in der antiken Geschichtsschreibung, in verschiedenen Fassungen des deuteronomistischen Geschichtswerkes, in den Büchern der Chronik, im Buch Ijob und in verwandten Weisheitsschriften auf dem Hintergrund der umrissenen Frage nach der Funktion von »Geschichte(n)« nachzugehen.

Lehrveranstaltungen

Vorlesungen

Winter 2000/01; Winter 2003/04; Herbst 2005 (Gastprofessur in Poznan, Polen); Winter 2005/06; Winter 2007/08; Sommer 2010; Winter 2012/13; Winter 2014/15; Sommer 2017; Winter 2020/21

Publikationen (Auswahl)

Eine Auswahl der folgenden Publikationen steht auf www.academia.edu zum Download zur Verfügung.

Wissenschaftliche Publikationen

Leiden erzählen. Sinnfiguren der Theodizee im Alten Testament, in: Andreas Michel / Hermann-Josef Stipp (Hg.), Gott – Mensch – Sprache. Schülerfestschrift für Walter Gross zum 60. Geburtstag (Arbeiten zu Text und Sprache des Alten Testaments 68), St. Ottilien 2001, 1–22.

Rede von Gott als verité à faire. Die Existenz des Menschen nach Gen 2–3 und sein Ringen um Gottes Gerechtigkeit, in: Klaus Bieberstein / Hanspeter Schmitt (Hg.), Prekär. Gottes Gerechtigkeit und die Moral der Menschen. Im Gespräch mit Volker Eid, Luzern 2008, 27–41.

Dem Leiden einen Sinn geben. Krankheitsdeutungen und Theodizeeversuche in der alttestamentlichen Literatur, in: Günter Thomas / Isolde Karle (Hg.), Krankheitsdeutung in der postsäkularen Gesellschaft, Stuttgart 2009, 127–138.

Alttestamentliche Deutungsmodelle von Leid und ihre Wiederkehr in Predigten zum Tsunami, in: Heinz-Günther Schöttler (Hg.), Eine von der großen Welle überrollte Theologie? Der Tsunami in Predigten zur Jahreswende 2004/05, seit 2007 im Druck.

Vom Verlangen nach Gerechtigkeit zur Erwartung einer Auferweckung von Toten. Noch einmal zum Problem der Theodizee, in: Erasmus Gaß / Hermann-Josef Stipp (Hg.), »Ich werde meinen Bund mit Euch niemals brechen!« (Ri 2,1). Festschrift für Walter Groß zum 70. Geburtstag (Herders Biblische Studien 62), Freiburg u.a. 2011, 295–313.

Publikationen für eine breitere Öffentlichkeit

Ijobs Ringen, in: Ulrike Bechmann / Klaus Bieberstein, Weisheit im Leiden. Ijobs Ringen und das Lied der Weisheit, Stuttgart 2007, 6–38.